Was wir brauchen, um psychisch gesund zu bleiben

Was wir brauchen, um psychisch gesund zu bleiben

In den letzten beiden Beiträgen ging es um unsere psychischen Grundbedürfnisse Bindung, Kontrolle, Selbstwert und Lust. Nach der Konsistenztheorie von Grawe befinden wir uns in einem Zustand der Konsistenz, wenn alle vier psychischen Grundbedürfnisse bis zu einem gewissen Grad erfüllt sind. Ein höherer Grad der Konsistenz geht der Theorie nach mit einem höheren Level an psychischer Gesundheit einher.

Je stärker wir die psychischen Grundbedürfnisse als erfüllt erleben, desto gesünder und zufriedener sind wir auf mentaler Ebene.

Oftmals ist es aber gar nicht so einfach, unsere psychischen Bedürfnisse zu erfüllen. Wenn unsere psychischen Grundbedürfnisse nicht ausreichend erfüllt werden, sind wir in einem Zustand der Inkonsistenz. Inkonsistenz lässt sich demnach mit Stress gleichsetzen. Ist der Stress sehr massiv oder hält für einen längeren Zeitraum an, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass unsere psychische Gesundheit darunter leidet.

Gründe für Inkonsistenz

Diskordanz

Manchmal widersprechen sich zum Beispiel zwei Bedürfnisse, z.B. wenn man einerseits das Bedürfnis nach Bindung hat und einem Menschen nahe sein will, auf der anderen Seite aber auch nicht verletzt werden möchte oder das Risiko eingehen möchte, von der Beziehung zu sehr vereinnahmt zu werden (Bedürfnis nach Kontrolle).

Oder innerhalb eines Bedürfnisses gibt es Widersprüchlichkeiten: Einerseits will man vielleicht seine Freiheit leben, um die Welt reisen und seine eigenen Entscheidungen treffen (Kontrolle) auf der anderen Seite will man sich finanzielle Sicherheit bewahren (auch Kontrolle). Derartige Phänomene werden in Grawes Theorie als Diskordanz bezeichnet.

In solchen Situationen kann man sich z.B. fragen:

  • Welche psychischen Bedürfnisse liegen meinem Verhalten zugrunde?
  • Gibt es hierbei einen Widerspruch?
  • Wo liegt die Inkonsistenz?
  • Ist eine Vereinbarkeit der Beiden Bedürfnisse tatsächlich nicht möglich? (Bsp.: Ist es wirklich nicht möglich in einer Beziehung zu sein und gleichzeitig frei entscheiden zu können? Oder ist es wirklich nicht möglich, auf Reisen zu gehen und mir dennoch eine finanzielle Sicherheit zu bewahren?)
  • Was kann ich tun, um beide Bedürfnisse möglichst gut zu erfüllen?

Inkongruenz

Auch kann es vorkommen, dass wir ein Verhalten ausüben, welches das Ziel verfehlt, das nennt man dann Inkongruenz. Wenn wir zum Beispiel unserem Harmoniebedürfnis (Bindung) nachkommen wollen, indem wir uns unglaublich bemühen, dass bei einem Familientreffen alles harmonisch und perfekt abläuft, verbrauchen wir hierfür sehr viel Energie, sodass die Anspannung größer und damit das Konfliktpotential höher ist. In diesem Fall laufen wir Gefahr, dass unser Bindungsbedürfnis letztlich nicht erfüllt wird, weil es z.B. Streit gibt. Das Problem liegt hier also klar in unserem Verhalten, welches nicht zur Bedürfniserfüllung führt (auch wenn wir es vielleicht mit diesem Ziel ausgeführt haben).

Es kann also helfen, sich in solchen Situationen zu fragen:

  • Hilft mein Verhalten WIRKLICH, um das Bedürfnis zu befriedigen?
  • Was könnte kontraproduktiv an meinem Verhalten sein?
  • Wie könnte ich mein Verhalten so anpassen, um das Bedürfnis noch besser zu erfüllen?

Inkonsistenz

Inkongruenz und Diskordanz gehören beide zur Inkonsistenz, also der Nichterfüllung unserer psychischen Grundbedürfnisse. Wenn wir also nicht im Zustand der Konsistenz (und damit der Zufriedenheit sind), liegt das daran, dass unsere Bedürfnisse entweder durch Diskordanz oder durch Inkongruenz nicht erfüllt werden.

Es gibt also ganz verschiedene Ursachen, die dazu führen können, dass unsere psychischen Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Findet man nicht schnell eine Lösung, um die Inkonsistenz aufzulösen und seine Bedürfnisse zu erfüllen, so läuft man die Gefahr, Krankheitssymptome zu entwickeln. Verschiedene Anzeichen wie z.B. Probleme ein- oder durchzuschlafen, Konzentrationsschwierigkeiten, Antriebsmangel oder Erschöpfung bis hin zu Stimmungstiefs oder Panikattacken sind demnach als Warnsignale zu verstehen. Sie zeigen uns, dass wir auf uns achten sollten und unsere psychischen Grundbedürfnisse gerade nicht ausreichend erfüllt werden. Ignorieren wir diese Warnsignale oder wissen wir nicht, wie wir mit diesen umgehen sollen, kann es zur Entwicklung psychischer Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen kommen.

Der erste Schritt, um für mehr Zufriedenheit und eine bessere psychische Gesundheit zu sorgen, liegt also darin zu überprüfen, welches der psychischen Grundbedürfnisse gerade nicht erfüllt wird. Der nächste Schritt gilt dann der Ursachenfindung, also: Woran liegt es, dass mein Bedürfnis nach Bindung/Kontrolle/Selbstwert/Lust nicht erfüllt ist? Manchmal liegt die Antwort hier klar auf der Hand. In anderen Situationen ist es jedoch nicht ganz so offensichtlich, wie in den oben genannten Beispielen. Hierbei kann es helfen, die eigenen Handlungsweisen und Wünsche klar den vier psychischen Grundbedürfnisse zuzuordnen. Im Anschluss geht es dann darum, die Inkonsistenz aufzulösen und Strategien anzuwenden, die uns helfen, unsere Bedürfnisse zu erfüllen.

Um sein eigener Coach und Experte für die eigene Zufriedenheit zu sein ist es notwendig, die Ausprägung seiner eigenen psychischen Grundbedürfnisse zu kennen und zu wissen, wie man diesen aus eigener Kraft heraus nachgehen und sich diese erfüllen kann. Denn eines ist klar: Auch wenn alle die gleichen psychischen Grundbedürfnisse besitzen, benötigt jeder von uns andere Dinge, um diese zu erfüllen. Ähnlich wie Pflanzen, die alle unterschiedlich viel Licht, Wasser und Luftfeuchtigkeit benötigen, um zu wachsen und zu gedeihen. Mehr dazu folgt in den nächsten Blogbeiträgen 🙂